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Archiv für 12. November 2008

In Kürze: Worum geht es?

Wegen eines Satzes in einer Kolumne vom 25. Juli 08 geht der Rüstungskonzern Diehl gerichtlich gegen unsere Online-Zeitung vor. Diehl sieht in der von uns veröffentlichten Aussage eine unwahre Tatsachenbehauptung. Per Einstweiliger Verfügung ist uns die entsprechende Äüßerung derzeit untersagt.

Wir sehen darin das Grundrecht auf freie Meinungsäußerung verletzt (Art. 5 GG). Ein Waffenproduzent will sich die Begriffshoheit über die Bezeichnung seiner Produkte juristisch absichern lassen. Nun muss das Landgericht München I (Lenbachplatz) entscheiden. Der erste Verhandlungstermin in München wurde festgelegt auf

Montag, 2. März, 15 Uhr

Rüstungskonzern contra regensburg-digital.de Es liegt schon ein paar Monate zurück. „Verdienstorden und Streubomben“ – unter dieser Überschrift hat unsere Redaktion am 25. Juli eine Kolumne veröffentlicht, die demnächst das Landgericht München I beschäftigen wird. Wir haben uns – anlässlich des Landtagswahlkampfs – mit der Verleihung des Bayerischen Verdienstordens durch den damaligen Ministerpräsidenten Günther Beckstein an Werner Diehl beschäftigt. Diehl ist stellvertretender Aufsichtsratsvorsitzender der Diehl-Gruppe. Der Konzern mit Hauptsitz in Nürnberg ist einer der erfolgreichsten deutschen Waffenproduzenten. Und ein Waffenproduzent mit einer reichen Geschichte. Bereits der erste Weltkrieg markiert den Einstieg von Diehl in die Rüstungsproduktion1. Während des II. Weltkriegs wurde das Unternehmen unter Führung von Werner Diehls Vater Karl als „Kriegsmusterbetrieb“ ausgezeichnet. Die Produktion fand zu einem Großteil mit Zwangsarbeitern und KZ-Häftlingen statt2. Nach Ende des Krieges begann das Unternehmen bereits in den 50ern, wieder in die Rüstungsproduktion einzusteigen3. Erfolgreich. Nach eigenen Angaben stammt rund ein Drittel des Umsatzes von 2,3 Milliarden Euro aus diesem Bereich4. Staatstragende Auszeichnungen für Mitglieder der Familie Diehl gibt es einige. Insbesondere der im Januar verstorbenen Firmenpatriarch Karl Diehl wurde für seine Verdienste sowohl im Dritten Reich5 als auch in der BRD mehrfach ausgezeichnet. Der Kontakt zu den Regierenden scheint stets blendend zu sein. Nicht zuletzt der Intervention der BRD ist es zu verdanken, dass unter anderem ein Artilleriegeschoss (smart 155), das Diehl in Kooperation mit dem Unternehmen Rheinmetall produziert, vom Streumunitionsverbot ausgenommen wurde, auf das sich Ende Mai 107 Staaten geeinigt haben6. Während ein Streumunitionsverbot in Österreich Munitionstypen wie smart 155 miteinbezieht7, bezeichnet das deutsche Bundesverteidigungsministerium dieses Geschoss (mittlerweile) als „Punkt-Ziel-Munition“ (Details). In der gerichtsmassigen Kolumne schrieben wir mit Bezug auf Diehl den Satz: [AUSSAGE DERZEIT GERICHTLICH UNTERSAGT]. Zunächst schickte uns das Unternehmen eine Abmahnung, mit der Aufforderung, eine Unterlassungserklärung zu unterzeichnen (Details). Schließlich wurde uns diese Aussage ohne mündliche Verhandlung per Einstweiliger Verfügung und Androhung einer Geldstrafe „zwischen 5 und 250.000 Euro“ untersagt. Das Landgericht München I muss nun im Hauptsacheverfahren darüber entscheiden, ob diese Einstweilige Verfügung Bestand hat. Der Streitwert wurde auf 50.000 Euro angesetzt. Folgerichtig fallen erhebliche Gerichtskosten an. Bereits vor einer Entscheidung muss unsere Redaktion die Gerichtskosten der Einstweiligen Verfügung tragen, ebenso Honorarkosten der Diehl-Anwälte. Die aktuellen Kosten belaufen sich auf 1.402,36 Euro. Wir sehen in dem Vorgehen des Konzerns einen Angriff auf die Presse- und Meinungsfreiheit. Hier geht es um mehr als einen von uns veröffentlichten Satz. Sehen Sie das auch so? Dann unterstützen Sie uns mit einer Spende. Verein zur Förderung der Meinungs- und Informationsvielfalt e.V. (Mehr Infos) Kontonummer: 63 363 Volksbank Regensburg e. G., BLZ: 750 900 00 Betreff: Diehl Wir werden transparent und regelmäßig über den Verlauf der Auseinandersetzung berichten.

Nachtrag am 10. Dezember 08:

Zwischenzeitlich ist die Klageschrift bei uns eingegangen. Der Streitwert wurde von Diehl auf 75.000 Euro erhöht.

Quellen
1 Schöllgen, Gregor: Diehl, Ein Familienunternehmen in Deutschland, 1902 – 2002. München 2002. S. 19.
2 Schöllgen, Gregor: Diehl, Ein Familienunternehmen in Deutschland, 1902 – 2002. München 2002. S. 96f, 101f.
5 Schöllgen, Gregor: Diehl, Ein Familienunternehmen in Deutschland, 1902 – 2002. München 2002. S. 78.
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