Entdecke Veranstaltungen in Regensburg Alle Kultur Oekologie Soziales Kino
1. Mai

Tag der Arbeit im Zeichen des Ukraine-Kriegs

Auch der „Kampftag der Arbeiterklasse“ am Sonntag kam am Ukraine-Krieg nicht vorbei. Auf Transparenten und Reden war der russische Angriff ein Schwerpunkt. Doch es gab auch andere Themen.

In den vergangenen Jahren nicht immer einig mit dem DGB. Die FDJ und der Arbeiterbund für den Wiederaufbau der KPD reihte sich als „Roter Block“ ein. Fotos: Bothner

Vorne weg die Samba-Trommeln. Zwischen drinnen erklingen immer wieder Metalltröten und Arbeiterlieder. Sprechchöre fordern ein sofortiges Ende der Rüstungen und rufen zum Arbeitskampf auf. Später steigen, zwischen Fahnen und Bannern, kurzzeitig Rauchwolken auf. Nach zwei Jahren Coronapause hat der DGB in Regensburg erstmals wieder zur traditionellen 1. Mai-Demonstration aufgerufen. Auf der Kundgebung auf dem Neupfarrplatz ging es dann um den sozial-ökologischen Umbau der Gesellschaft. Aber auch der russische Krieg gegen die Ukraine war mehrfach Thema.

WERBUNG

„GeMAInsam Zukunft gestalten!“

Sichtlich erfreut, zeigt sich daher Katja Ertl, Gewerkschaftssekretärin des DGB in der Oberpfalz, in ihrem kurzen Grußwort vor dem Gewerkschaftshaus. Endlich wieder gemeinsam mit den Kolleginnen und Kollegen auf der Straße zu sein, sei ein wichtiges Zeichen. Mit einem „Glück auf“ geht es dann um 9.30 Uhr los. Die Trommlerinnen und Trommler von Sarará sorgen vorne Weg für rhythmische Begleitung und schon von weitem für Aufmerksamkeit bei den wenigen Spaziergängern die das trübe Nieselwetter nicht zu Hause gehalten hat. Dahinter führen Oberbürgermeisterin Gertrud Maltz-Schwarzfischer, der Regensburger SPD-Fraktionschef Thomas Burger sowie mehrere Gewerkschaftsvertreter den Demozug an. „GeMAInsam Zukunft gestalten!“, halten sie auf einem Transparent hoch. Das diesjährige Motto der Gewerkschaften zum 1. Mai.

„GeMAInsam Zukunft gestalten“, so lautete das diesjährige Motto des DGB. In Regensburg marschierten hinter der Oberbürgermeisterin knapp 300 Personen vom Gewerkschaftshaus zum Neupfarrplatz.

Mit rund 300 Teilnehmenden (so die Schätzung der Polizei) kommt die erste Demo seit 2019 deutlich kleiner daher. Am Neupfarrplatz später werden es zeitweise knappe 500 Personen sein, die den Reden auf der Bühne folgen. Auf Transparenten und Schildern steht vor allem der Krieg in der Ukraine und die Aufrüstung im Fokus. „Krieg schafft Frieden“, spotten die Falken. „Stoppt die Bundeswehr nicht erst vor Stalingrad“, heißt es auf einem Schild der FDJ. Anders als die letzten Jahre, als es im Vorfeld mehrfach Auseinandersetzungen mit dem DGB gegeben hatte, zeigt sich die Jugendorganisation dieses Jahr wieder kooperativer. Als „Roter Block“ reihen sich die FDJler in die von ihnen deklarierte „Arbeiterfront“ ein und rufen zum „Krieg gegen die Kapitalisten“ auf.

Laut Polizei mehr als 300 Personen nahmen ab 13 Uhr an der Revolutionären 1. Mai Demonstration durch die Stadt teil.

Später werden sie auch an der „Revolutionären 1. Mai Demo“ teilnehmen. Vom Schwammerl am Bahnhof beginnend, ziehen Mitglieder des Internationalen Kultur- und Solidaritätsvereins (IKS), „Recht auf Stadt“, des Vereins Seebrücke, Fridays for Future und weiterer Gruppen sowie Einzelpersonen durch die Stadt. Eine von außen gemischt wirkende Demo, die mit über 300 Personen laut Polizeiangaben sogar ein wenig größer wird, als die morgendliche DGB-Demonstration.

IKS, Recht auf Stadt und weitere Gruppen riefen am Sonntag zu einer eigenen Demonstration auf.

Verwirrung wegen Rauchfalken

Während diese Richtung Dachauplatz läuft, steigen plötzlich Rauchwolken aus dem Zug auf. Einige Mitglieder der DGB-Jugend haben Rauchfalken gezündet, die für einen farblichen Hingucker sorgen. Später sorgt dann die Polizei kurzzeitig für Verwunderung, als sie deshalb von mehreren Personen die Personalien aufnimmt. Unserer Redaktion erklärt der Einsatzleiter vor Ort, es habe da ein Missverständnis gegeben. Der DGB hatte im Vorfeld gegenüber dem Ordnungsamt die Rauchfalken angekündigt. Offenbar wurde das aber nicht an die Polizei weitergegeben. Auch einige Beamten hat die neue Informationslage dann auf dem Neupfarrplatz wohl erst zeitversetzt erreicht. Denn auch nach unserem Gespräch mit der Einsatzleitung werden noch Personalien festgestellt. Die Daten sollen im Nachgang aber komplett vernichtet worden sein.

Rauchwolken über Regensburg sorgten kurzeitig für farbige Akzente. Später sorgte die Einlage zeitweise für Unverständnis.

Auf der Kundgebung an der Neupfarrkrirche wird dann in den Reden von zahlreichen Herausforderungen gesprochen, die nur gemeinsam bewältigt werden könnten. Die betriebliche Mitbestimmung sei dabei wichtig und die Solidarität mit jenen, die Hilfe brauchen. Auch hier ist der Krieg in der Ukraine ein ums andere Mal Thema.

Etwa bei Jürgen Scholz, Geschäftsführer der IG Metall Regensburg, wenn er die letzten drei Jahre Revue passieren lässt. 2019, bei der letzten öffentlichen Kundgebung zum 1. Mai, seien noch die Dekarbonisierung der Industrie, Verlagerung von Arbeitsplätzen und Digitalisierung allgegenwärtig in den Reden gewesen. „Schon ein Jahr später waren wir mit einer weltumspannenden Pandemie konfrontiert“, mit Folgen bis heute. Nun der „verbrecherische Krieg, keine zwei Flugstunden von uns weg“. Scholz spricht von völlig veränderten Rahmenbedingungen, mit denen auch die Gewerkschaften konfrontiert seien. Russlands „beispielloser Angriff auf die europäische Friedensordnung“, so Scholz unisono mit seinen Kollegen in anderen Städten am Sonntag, müsse umgehend enden.

Mietendeckel, Azubiticket und Systemwandel

Nach Scholz’ Eröffnungsrede steht die DGB-Jugend dann auf der Bühne im Mittelpunkt. Auch das hat Tradition. Die Gewerkschafterinnen greifen unterschiedliche Problembereiche auf, mit denen Azubis zu kämpfen hätten. Fehlender bezahlbarer Wohnraum müsse unter anderem mit einem bundesweiten Mietendeckel begegnet werden, heißt es. Zudem brauche es ein Azubiticket für den ÖPNV.

„Wie sollen Azubis vom Dorf in die Stadt, ohne Auto?“ Dazu brauche es eben auch einen funktionierenden, gut ausgebauten Nahverkehr. All das bringe am Ende aber auch nur etwas, wenn überhaupt genügend attraktive Ausbildungsplätze vorhanden seien. Und genau daran scheitere es mittlerweile enorm. 50.000 Plätze seien in den vergangenen Jahren weggefallen. „Auch in Branchen, die kaum von Corona betroffen waren ist das Thema“, sagt ein Mitglied der DGB-Jugend. Jeder einzelne Platz weniger bedeute eine verlorene Chance für junge Menschen. Viele seien durch die Krise verunsichert, würden sich nicht beim Arbeitsamt melden und so auch nicht in den Statistiken auftauchen. „Ausbildungsplatzgarantie“, lautet die klare Forderung, die mit viel Applaus bedacht wird.

Die DGB Jugend prangerte das Versagen der Politik bei der Sicherung von Ausbildungsplätzen an. Gerade in den attraktiveren Branchen seien zuletzt viele Plätze verloren gegangen.

Für den Juso-Vorsitzenden Bastian Käsbauer und die DGB-Jugend Oberpfalz ist der Fall klar: Die heutige Gesellschaft stehe weltweit am „Scheideweg zwischen grün-kapitalistischer Dystopie und selbstbestimmter Utopie“. Die Klimakrise rase weiter ungebremst voran. Auf Kosten der Menschen des globalen Südens und der jüngeren Generationen. Die würden die Folgen am heftigsten und am längsten zu spüren bekommen. Der aktuelle Klimabericht der Vereinten Nationen zeichnet ein katastrophales Bild und fordert einen dringenden „Systemwandel“, will man die Folgen der Klimakrise noch eindämmen. Und auch den Gewerkschaften scheint der Ernst der Lage durchaus bewusst zu sein. Am Sonntag, 1. Mai, Tag der Arbeit, ist der notwendige strukturelle Wandel und der gesellschaftliche Umbau mehrfach Thema. Angesichts multipler Krisen dürfe das aber nicht hinten herunterfallen – hinter die Pandemie und den russischen Krieg gegen die Ukraine.

„Weg mit Frontex“

Rund 500 Menschen sind es auf dem Neupfarrplatz in der Spitze. Nach dem offiziellen Teil versprengt es viele bereits. Der Rest feiert bei trübem Wetter das – für den 1. Mai traditionelle – Fest der Sozialen Initiativen mit Musik, Essen, Trinken und Hüpfburg. Verena Di Pasquale verabschiedet sich bereits kurz nach der Kundgebung. Die stellvertretende Vorsitzende des DGB Bayern ist Sonntag als Hauptrednerin in Regensburg. Auch sie kommt nicht umhin, zunächst auf den Krieg in der Ukraine einzugehen. Es sei aber nicht der einzige Krieg, der aktuell stattfinde. Sie zählt Syrien, Afghanistan und Somalia beispielhaft auf. Millionen Menschen auf der Flucht bräuchten eine uneingeschränkte Solidarität und Hilfe der europäischen Union. „Und sie (die EU, Anm. d. Red.) muss endlich alles dafür tun, dass das Sterben im Mittelmeer ein Ende hat.“ Daraufhin skandieren manche „Weg mit Frontex“.

100 Milliarden Sondervermögen „plötzlich aus dem Haushaltshut gezaubert“. An vielen Ecken fehle aber weiterhin das Geld, wundert sich Di Pasquale.

Ebenso wie die DGB-Jugend fordert Di Pasquale, die notwendigen Schritte hin zu einem sozialen und ökologischen Umbau der Gesellschaft politisch endlich anzugehen. Die Gewerkschafterin spricht von einer „verfehlten Energiepolitik“ und macht den „Bäume umarmenden“ Ministerpräsidenten Markus Söder mit als Bremsklotz aus. Schon seit Fukushima 2011 fordere der DGB eine umweltverträgliche, versorgungssichere und bezahlbare Energieversorgung. Dass es die nicht zum Nulltarif gebe, sei klar. „Aber die Staatsregierung steht beim Ausbau der Windenergie auf der Bremse und kommt auch beim Ausbau der Photovoltaik nicht in die Gänge.“ Ähnlich sehe es beim Stromnetz aus.

Anstatt Abstandsregeln für Windräder müsse die Politik die Versorgung mit bezahlbaren Energien sicher stellen, sagt Di Pasquale. Und – das macht die DGB-Jugend zuvor bereits deutlich – den Beschäftigten in den Kohlerevieren schnell „eine Chance auf gute und neue Jobs“ geben. Jetzt müssten die „Voraussetzungen für eine lebenswerte“ und gemeinsam gestaltete Zukunft geschaffen werden.

Auch im reichen Bayern ist Armut allgegenwärtig

Neben der Bewältigung der Klimakrise treibt die stellvertretende DGB-Vorsitzende auch die soziale Frage um. Die aktuelle Inflationsrate. Zu geringe Entlastungen für Rentnerinnen und Rentner, die immer häufiger auf die Tafeln angewiesen seien, oder in Mülltonnen nach Pfandflaschen suchen müssten. Die durch die Krise noch einmal deutlich aufgegangene Reichtumsschere. Es brauche einen „aktiven Staat“, der die bestehenden Krisen bewältige. Die Gewerkschaften machten sich hier für einen umfangreichen Ausbau des Sozialstaates stark.

Denn selbst im reichen Bayern sei laut Di Pasquale Armut allgegenwärtig. Statt gut bezahlter, sozialversicherungspflichtiger Beschäftigungen stehe Bayern mit knapp einer Millionen Menschen im Niedriglohnbereich (unter 11,21 Euro brutto) auch auf dem Arbeitsmarkt deutlich schlechter da als die Landesregierung zugeben wolle. Gerade Frauen seien allzu oft in Minijobs und direkt von Armut bedroht. Di Pasquale ist da auch der seit Jahren rückläufige Anteil an tarifgebundenen Arbeitsverhältnissen ein Dorn im Auge. Rund 50 Prozent sind es noch in Bayern. Der Mitbestimmung in den Betrieben werde dadurch immer mehr die Hände gebunden.

Auf dem Neupfarrplatz sorgte zunächst Sarará für Rhythmus. Nach den Reden gab es dann ein musikalisches Programm auf der Bühne.

Dabei habe sich gerade in der Pandemie gezeigt, wie viel Arbeitnehmer vereint erreichen können. Höheres Kurzarbeitergeld und flexible Arbeitszeitmodelle hätten die Gewerkschaften ermöglicht, sagt Di Pasquale. Dadurch habe der DGB mitgeholfen, Millionen Arbeitsplätze zu retten und Lohneinbußen abzufedern. Das Lob der eigenen Arbeit, es gehört am 1. Mai dazu wie Bratwurst und Bier. Und eben auch die Kritik an den politischen Verantwortlichen.

Dass in Berlin im Kontext des Ukrainekrieges 100 Milliarden an Sondervermögen „plötzlich aus dem Haushaltshut gezaubert“ werden, sorgt bei Di Pasquale für wenig Begeisterung. Ebenso wenig die von Bundeskanzler Scholz propagierte Zeitenwende. Aufrüstung sei „die falsche Antwort auf die Herausforderungen für einen stabilen Frieden“. Und weil gleichzeitig die Schuldenbremse bestehen bleiben soll, werde das Geld für die Bundeswehr am Ende wieder bei vielen wichtigen Feldern fehlen. Geld, das etwa im Gesundheits- und Pflegebereich, der öffentlichen und digitalen Infrastruktur und Schulen dringend gebraucht werde.

Print Friendly, PDF & Email

SUPPORT

Ist dir unabhängiger Journalismus etwas wert?

Dann unterstütze unsere Arbeit!
Einmalig oder mit einer regelmäßigen Spende!

Per PayPal:
Per Überweisung oder Dauerauftrag:

 

Verein zur Förderung der Meinungs- und Informationsvielfalt e.V.
IBAN: DE14 7509 0000 0000 0633 63
BIC: GENODEF1R01

Kommentare (4)

  • joey

    |

    was ist bitte eine “grün-kapitalistische Dystopie”?

  • Gotthold Streitberger

    |

    Die stellvertretende bayerische DGB – Vorsitzende Di Pasquale zeigte für die 100 Milliarden Sondervermögen (zur weiteren Militarisierung) und die von Bundeskanzler Scholz propagierte Zeitenwende nicht nur “wenig Beisterung”. Sie hat beides – unter Beifall – kritisiert. Dies und der erfrischende Auftritt der DGB – Jugend mit gutem Transparent und Schildern (u.a. Klimakampf ist Klassenkampf”, siehe Foto), dem lange applaudiert wurde, hat mir an der DGB – Kundgebung besonders gefallen.
    Gotthold Streitberger (u.a. GEW-Mitglied)

  • Mr. B.

    |

    Es wird nicht genügen, wenn der SPD -seit Schröder- die Arbeiter und die unverschuldet
    Ärmeren nur am 1. Mai bei einer Kundgebung wichtig sind.

  • Gscheidhaferl

    |

    Was dem Bauernverband die CSU ist, ist den Gewerkschaften die SPD: Ein Klotz am Bein, von dem sie sich am besten emanzipieren sollten; doch fehlt ihnen der Mut dazu. Wie ein Kind, dass nicht von den Stützrädern lassen kann, obeohl es schon längst dazu in der Lage wäre. Statt dessen geben sie sich wieder und wieder als Kofferträger und Flintenspanner der Partei her und ordnen sich der entsprechenden Parteiraison unter. Am ersten Mai gibt’s dann eben etwas Widerspruchsfolklore. Die ‘ultralinke’ Jugend darf sich zum milde und nachsichtig belächelten Kasper machen… Und wenn der Zinober vorbei ist, widmet man sich in den Parteizentralen wieder den augenscheinlich alternativlosen Agenden, die nur um sich selbst kreisen, wenn nicht so unvorhergesehene Frechheiten wie Pandemien oder Kriege zum Blick über den Tellerrand zwingen. Traurig.

Kommentare sind deaktiviert

drin